Freitag, 11. Juli 2008

Ängste bloggender Wissenschafts"interessierter"

Angeregt von Florian Dieckmann wurde ich zu einer Reflexion von Blog und Wissenschaft. Die Frage, warum ein Wissenschaftler seinen Blog öffnen sollte, schwingt dabei gerade bei nicht etablierten Personen in dem Bereich der Wissenschaft mit. Promovenden, Studenten und andere Menschen, die ihrem Vorhaben folgen, ihren Teil an wissenschaftlichen Erkenntnissen beizutragen, werden oftmals mit den Ängsten konfrontiert, dass ihre Gedanken von anderen aufgegriffen und veröffentlicht werden können. Bloggt ein bereits etablierter Wissenschaftler freier und mit weniger Ängsten (meiner Meinung nach ist er etabliert mit dem Erhalt bzw. Anerkennung seiner Dissertation) als ein Student, der sich noch beweisen muss?

Diese Frage geht einher mit der Frage nach dem Zweck und Sinn von Werkzeugen, wie Blogs. Bei jedem Blog, das angefangen wird, muss sich der nachhaltige Nutzer irgendwann mit den Dynamiken und Auswirkungen, die so ein Blog mit sich bring, auseinandersetzen. Natürlich werden viele Blogs auch erst einmal experimentell angelegt. Wer weiß schon vor einem möglichen Prozess, was eines der möglichen Ergebnisse sein wird? Das Interessante an diesen Werkzeugen ist eben, dass vom User (Leser), wie dem Bloggenden selbst (sich selbst beobachtend), ein Prozess der Entwicklung beobachtet werden kann. Wie ist der Blogger zu jener oder dieser Erkenntnis gelangt? Mit welchen Schwierigkeiten musste er sich jahrelang (oder kürzer) auseinander setzen? Welche Einflüsse haben gewirkt, um zu jener Fragestellung oder Antwort zu gelangen?

Von daher ist Bloggen von der Selbstdarstellung geprägt. Jeder Blogger muss sich die Frage stellen, was er alles von sich preisgibt. Manchmal mag man diese Frage lieber verdrängen … Es sind ja nicht nur die offensichtlichen Nutzerdaten, die der Einzelne in das Internet überträgt und auf den verschiedensten Plattformen zu finden sind. Im Hintergrund schwirren so viele unsichtbare Daten, die im Laufe der Zeit angegeben wurden, um bestimmte Aktivitäten im Netz ausführen zu können.

Ist es dann nicht besser, dass ich über mich selbst berichte, als wenn andere unglücklich geschossene Fotos oder obskure Ideen über die eigene Person ins Netz stellen? Ein Weblog, dass von mir über einen langen Zeitraum zu einem Thema (oder mehrere) mit Aufwand und Enthusiasmus erstellt wurde, lässt den „Sucher“ erkennen, was mich wirklich bewegt und ist in jedem Falle authentischer. Durch eigene Aktivität kannst Du zudem, wie Du selbst erkannt hast in Austausch mit Gleichgesinnten gelangen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Personen, denen ich von meiner Arbeit und meinem Vorhaben (grob) berichte und worin mein Ziel liegt, dass diese immer wieder auf unterschiedlichste Wege meine Gedanken anreichern, festgefahrene Wege auflösen, bzw. mich auf Probleme aufmerksam machen. Im Gegensatz dazu erwarten sie das natürlich ebenso von mir. Diesen Menschen muss ich auch nicht haargenau mein methodisches Werkzeug und die Arbeitsschritte darlegen, die zu meinem Ziel führen. Ich finde Du hast das sehr treffend „eingefangen“, indem Du geschrieben hast, dass ein Blog (als Werkzeug) dazu gedacht werden kann, einen Prozess festzuhalten.

So genannte „Scienceblogs“ haben in meinem Verständnis eine andere Funktion, als Blogs, die im politischen Interesse betrieben werden. Blogger sind keine homogenen Wesen. Scienceblogs sollen unter anderem die wissenschaftliche Kommunikation bereichern. Scienceblogs ermöglichen es, durch kollektive / kollaborative Wissenskonstruktionen neue Ideenressourcen zu erschließen. Wegen der Öffentlichkeit eines Blogs ist ein „bloggender“ Wissenschaftler dazu aufgerufen, die Herkunft seiner Informationen bekannt zu geben. (in Form von klassischen Quellenangaben). Zudem erscheint es wichtig, bei der Fülle an Informationen im Web, die Transparenz herzustellen, woher eine Information genommen wird und welche Auswirkungen sie auf das eigene Denken hat (Selbstreflexion). Wird dieser Prozess umgangen, ist das Vertrauensverhältnis zwischen Bloggern, die sich mit ähnlichen Themen auseinandersetzen und daher auch gleichzeitig die Leser des eigenen Blogs sind, gestört. Der Ruf als ehrlicher „Hard Blogging Scientist“ ist zerstört. Zudem wird eine Vernetzung dargestellt, die das Web ausmacht. Wird jemand im Netz zitiert, erhält derjenige einen „Ping“ und wird wiederum selbst über den Trackback-Mechanismus referenziert. Web 2.0 – Netze entstehen gerade durch Referenzierung. Der Begriff, der diesen Gedanken versucht festzuhalten, nennt sich „information literacy“. Vertrauen und Ehrlichkeit werden mit dem Blogger, der diesen Anforderungen nachkommt, verbunden.
Ideen und Gedanken anderer ohne Verweis auf diese Person, zerstört den Sinn der Transparenz des neuen Webs, wozu jeder, der sich in dieser Welt bewegt aufgefordert ist und zudem das soziale Netz. Wissenschaftliches Bloggen ist in erster Linie eine bewusste Haltung, da sie einen Dialog mit der Gesellschaft ermöglicht. Der Wissenschaftler wird gleichzeitig in Kommentaren auf Fragen, die die Öffentlichkeit beschäftigen, hingewiesen.

Natürlich gehört dazu Mut. Gerade in diesen Zeiten, wo wir vielleicht an der Scheidegrenze eines Umbruchs stehen, zwischen alten Paradigma wissenschaftlicher Lehre und neuem angestrebten Paradigma wissenschaftlicher Lehre (Paradigmenwechsel). Dennoch benötigen wir nur so viel Mut, um den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Wir sind nicht die ersten, die den Weg gehen und man ist nicht allein. Die Generation an Wissenschaftlern, die sich jetzt im Netz „tummeln“ haben eine andere Aufgabe. Ihre Aufgabe besteht darin diesen eingeschlagenen Weg im Rahmen wissenschaftlicher Methoden zu festigen.

(So viel zu meiner Stellungsnahme zu Punkt 3 der „Hard Blogging Scientist“)

Der Unterschied von einem Blog und einem wissenschaftlichem Text, samt Methodik liegt auf der einen Seite in subjektiven, unvollständigen und nicht überprüften Gedanken, auf der anderen Seite ganze Beweisführungen einer These. Hierin wird meiner Meinung nach noch mehr Mut erfordert und bezieht sich auf Punkt 5 des Manifests.
Hierin finde ich auch die Antwort zu der Eingangs gestellten Frage. Niemand wird angehalten seine Ergebnisse, die er methodisch erschlossen hat, nur in seinem Blog zu veröffentlichen. Das Blog erscheint mir in dieser Frage als das falsche Medium. Blogs können einen Erkenntnisprozess wiedergeben. Sie sind prozesshaft orientiert und geben nur dann Ergebnisse wieder, wenn sie am Ende einer Veröffentlichung (im Buch bspw.) oder andere anerkannte Medien stehen. Der Abschluss eines Prozesses ist der Verweis auf die Veröffentlichung.






(@ Florian: „In Punkt 4 (” I use a blog as a research tool”) stimme ich dann wieder mit dem Manifest überein, denn ich sehe mein Weblog als Forschungsinstrument. Hier kann ich - öffentlich oder allein für mich - meine Gedanken zum Ausdruck bringen und potentiell mit anderen hierüber ins Gespräch komme, um so Feedback zu erhalten und auf neue Ideen zu kommen. Eine Skizze meines Projekts online zu bringen - daran arbeite ich noch. Aber, hat Jana eine solche Skizze auf Ihren Seiten? Ich muss nachsehen…“

Meine Antwort lautet ganz klar: Nein ;) Das liegt daran, dass ich genauso, wie Du immer wieder auf der Suche war nach der „richtigen“ Fragestellung. Im Laufe der Zeit hatte ich dementsprechend viele Arbeitstitel. Dennoch glaube ich, dass sich so langsam über die Zeit sich eine recht grobe Fragestellung herausgehoben hat. Danke für das Feedback.)